Sonntag, 20. Oktober 2013

Selbstdisziplin

Das Denken findet in sich keine Ruhe. Jede Antwort gebiert eine neue Frage. Immer lässt sich noch ein weiteres Warum aus dem Hut zaubern. Einen natürlichen Endpunkt des Fragens, an dem der Zweifel endlich der Gewissheit wiche, gibt es nicht. Womit wir es zu tun haben, sind brüchige Konstruktionen, die die Philosophen und andere Welterklärer ersonnen haben, um ihre Lehrgebäude darauf zu errichten. Dabei bauten sie auf äußerst schwammigem Grund. Immer ist ihr Wille zu erahnen, einen festen Grund zu finden, notfalls zu erfinden, nur um endlich mit ihrem Werk beginnen zu können. Aber das ist unredlich. Das Denken eignet sich nur dazu, Sicherheiten zu zerstören; begründen kann es sie nicht. Ein denkender Mensch ist ein Zerstörer; Selbstverständlichkeiten lösen sich in seinem Geiste auf, liebgewordene Gewissheiten zerrieseln ihm zwischen den Händen. Je mehr er zu verstehen sucht und zu denken beginnt, desto weniger weiß er. Was er für gesichertes Wissen hielt, erstirbt im Weißlicht seines Zweifels. Er muss erkennen, dass seine tiefsten Überzeugungen ebenso notwendig sind wie die Augenzahl, die ein Spieler würfelt.

Weil das Denken alles zu nichts verwandelt, was einem lieb ist, bedarf man der Selbstdisziplin, um sich zu wehren. Es ist klar, dass der unendliche Zweifel auch die Selbstdisziplin ohne Probleme auflösen könnte. Durch das Nachdenken würde sie wiederum zu einem Problem des Denkens und damit zu einem ewigen Problem werden. Der selbstdisziplinierte Mensch ist nicht bereit, über alles und jedes zu diskutieren. Man könnte ihn unverständig nennen, weil er da, wo andere mit offenem Herzen hitzige Diskussionen führen, lieber schweigend seiner Wege geht. Seine Grundsätze sind zwar kontigent, und das mag ihm sogar bewusst sein. Dennoch fühlt er sich ihnen verpflichtet. Er hat Überzeugungen, über die er nicht diskutieren wird, und zwar unter gar keinen Umständen. Zu seiner Würde gehört es, das unendliche Spiel des Zweifels nicht mitzuspielen. Auch an seinen eigenen Motiven zweifelt er nicht; er verbittet sich vieles. Selbst jene, die sich über ihn lustig machen, bewundern doch im Geheimen die Festigkeit und Gravität seines Charakters, die ihnen abgeht, abgehen muss, weil sie einzig ihrem Denken die Treue halten. Und dem Denken, wir wissen es, vermag nur treu zu bleiben, wer sich selbst untreu wird ...

2 Kommentare:

  1. Trotzdem denken wir Menschen über vieles nach, suchen Antworten auf Fragen, die uns bewegen, die Welt um uns herum betreffend.. Das zeichnet den Menschen nun mal aus. Aber das heißt ja nicht, das er alles in Zweifel zieht und "zerdenken" muss. Vor allem nicht bei Überzeugungen und Ansichten, die er tief in sich, in seinem Herzen trägt. Nach denen er letztendlich handelt und lebt, auch wenn andere ihn dafür nicht verstehen mögen oder können. Und beim Nachdenken über sich selber, gibt es diese Fragen, die ein immer weiter führen, und doch nie ankommen lassen und der Mensch sich letztendlich verzweifelt verliert, weil da nichts mehr ist, was ihm als Gewissheit erscheint. Er bewegt sich denkend, spiralförmig imer weiter von sich weg, verliert sich immer mehr...bis er wirklich verloren ist. Dabei müsste er sich doch "nur" dem annähern, was er in seinem tiefsten Wesen, seinem Herzen spürt, in sich trägt. Diese zu erkennen und dazu zu stehen, ist ein weiter Weg. Aber so wie er Überzeugungen und Ansichten zu der äusseren Welt "verteidigt", sollte er auch in Bezug auf sich selbst, zu sich selber stehen. Mag man dafür auch belächelt oder geschnitten werden und auf Unverständniss stossen, und auch oft große Einsamkeit empfinden, weil man das Gefühl hat, das ein niemand versteht. So wird man doch auch Menschen finden, die einem mit Achtung und Respekt gegenübertreten, gerade auch in Bezug auf die eigenen Überzeugungen und Grundsätze, die diese akzeptieren und nicht versuchen zu zerreden, einen in Zweifel zu ziehen und zu ändern. Erfordert natürlich Selbstdiziplin, aber auch Standhaftigkeit im Hinblick auf die eigenen Überzeugungen, aber auch in Bezug auf sein Gegenüber. Nenn es Toleranz im Umgang miteinander. Aber auch, die eigen Würde bewahren und die des anderen achten. Liebe Grüsse von Frank

    AntwortenLöschen