Der Mensch gewöhnt sich an alles. Er könnte glücklicher sein, wenn er sich an das Gute, das ihm widerfährt, nicht allzu schnell gewöhnen würde. Sobald er etwas als selbstverständlich ansieht, hört er auf, es wertzuschätzen. Wer in einer Welt lebt, in der er nur von Selbstverständlichkeiten umgeben ist, muss sich immer neue Genüsse erobern, um an seiner Gewöhnung nicht zu ersticken. Aus der Unfähigkeit, die Welt jeden Tag mit frischen jungen Augen zu sehen, erwächst jenem Menschen die Sehnsucht nach dem Anderen, dem Besonderen, dem noch nie Gesehenen. Aber auch diese fernen Länder seiner Phantasie wird er wieder verlassen, nachdem sein Blick sie alt und gewöhnlich gemacht hat.
Ich denke, dass Dankbarkeit wichtig ist, um glücklich zu sein. Dankbarkeit ist nicht die Folge einer Wohltat, die uns jemand erwiesen hat. Wäre sie das, würde unsere Dankbarkeit ganz von anderen abhängen. Sie ist jedoch mehr, nämlich eine Fähigkeit, die man kultivieren kann. Wer die Dankbarkeit kultiviert, lebt in keiner gewöhnlichen, alten Welt. Es ist nicht selbstverständlich, dass es Menschen gibt, die sich darum sorgen, dass es uns gut geht. Oder Menschen, die bereit sind, sich unsere Geschichte anzuhören. Überhaupt nicht. Wie schnell vergessen wir das, wenn wir uns von Tag zu Tag hetzen lassen? Wie schnell geht es verloren, das Gefühl für den Wert einer guten menschlichen Beziehung? Beziehungen sind nicht einfach vorhanden; sie können nicht gespart und angehäuft werden wie das Geld auf der Bank. Eine Beziehung, die zur Gewohnheit geworden ist, gehört bereits der Vergangenheit an, sie ist tot.
Dankbarkeit ist die Fähigkeit, sich den frischen Blick für die Schönheiten des Lebens zu bewahren. Diese Schönheiten drängen sich nicht immer auf, sie sind nicht ohne weiteres zu sehen, schon gar nicht mit gleichgültigen Sinnen. Sie gehen unsichtbar an uns vorüber, solange wir sie nicht mit dankbaren Augen sehen. Dankbarkeit ist ein Geben, eine Aktivität, ein Sehen. Genau die Schönheit werden wir schauen, die wir bereit sind, sichtbar zu machen.