Montag, 1. Juli 2013

Mut zur Gewohnheit

Wir lehnen gerne bestimmte Handlungen ab, weil wir hinter ihnen egoistische Motive vermuten. Wir erwarten aber, dass die Handlung eines anderen echt sein möge. Seine Spende für die Armen erkennen wir nur an, wenn sie im naiven Bewusstsein des Guten getan wird. Sobald wir auch nur das kleinste Zeichen eines unausgesprochenen Hintergedankens entdecken, werden wir misstrauisch. Sehr schnell entwerten wir dann die ganze Handlung, brandmarken sie als unehrlich und scheinheilig. Wenn wir an den Motiven zweifeln, sind wir unweigerlich auch selbst gespalten, sprich: misstrauisch.

Setzen wir jedoch voraus, dass das Gute etwas ist, das sich entwickeln und wachsen muss, dann wäre ein egoistisch motiviertes Handeln für den Anfang gar kein Problem. Wenn wir uns ändern wollen, dann können wir dies nur mit einem ganz klaren Bewusstsein, also einem Bewusstsein, dem es noch sehr an Selbstverständlichkeit und Gewohnheit mangelt. In dieser Phase merkt man uns an, dass wir gut handeln wollen - und deshalb misstraut man leicht unseren Motiven. Es wirkt nicht so, als ob wir ganz da seien. Aber diese Phase ist nun einmal unausweichlich. Wir müssen sie akzeptieren. Das Problem ist nicht, dass wir aus egoistischen Motiven handeln, sondern dass wir uns einreden, wir dürften dies unter keinen Umständen tun. Denn damit verbauen wir uns die Möglichkeit, uns an ein bestimmtes Handeln zu gewöhnen. Dabei leisten uns auch jene einen Bärendienst, die nur ein Handeln gelten lassen wollen, das aus einem absolut reinen Herzen stammt. Deshalb sitzen wir in der Falle: Wir glauben an unser Gutes nicht, weil wir gelernt haben, unseren eigenen Motiven zu misstrauen.

Wir sollten uns eingestehen, dass wir eitel sind, dass wir nach Anerkennung gieren, dass wir uns aufblasen, um andere zu blenden, dass wír nicht halb so liebenswürdig sind, wie wir es gerne wären. Das ist aber alles nicht schlimm, sofern wir darauf vertrauen, dass unser Gutes erst viel später zu seiner Reife gelangen und wirklich gut werden wird. Uns bleibt nichts übrig, als dreckig anzufangen, mit dreckigen Gründen und aus niedrigen Motivationen. Wenn wir uns die Freiheit herausnehmen, uns ein gewisses Handeln anzugewöhnen, dann wird sich auch unser Gutes mehr und mehr aufhellen. Wir tun es dann irgendwann nicht aufgrund unserer niederen Motive, sondern weil wir eben immer so handelten, mit anderen Worten: weil es zu unserer Gewohnheit geworden ist, so zu handeln. Irgendwann werden wir das klare Bewusstsein der Motive unserer Handlungen verlieren, wenn wir nur den Mut zur Gewohnheit aufbringen. Könnte es nicht sein, dass die vielgepriesene Reinheit des Herzens etwas ist, das sich erst im Laufe einer langen Entwicklung herausbilden muss? Könnte diese Reinheit nicht ein sekundäres Phänomen sein?

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