Donnerstag, 13. Juni 2013

Nie aufgehört

Warum schreibst du, dass du komplett versagt hättest? Wir versagen, weil wir unseren Ansprüchen nicht gerecht geworden sind. Aber müssen wir den Ansprüchen denn unbedingt gerecht werden, um uns gut fühlen zu dürfen? Unsere Biographien sind verworren, unzusammenhängend und rätselhaft. Viele Erinnerungsfetzen warten noch darauf, entdeckt und geborgen zu werden; anderes wird sich unserem Geist wohl auf ewig entziehen. Na und? Wir leben jetzt, genau in diesem Augenblick! Wir atmen. Unsere Herzen schlagen. Ja, tatsächlich! Kannst du es spüren? Du lebst, weil es jetzt schlägt, nicht vor einigen Jahren oder Monaten. Es hat nie damit aufgehört. Auch in den schwärzesten Stunden hatte dein Herz immer fleißig seine Pflicht getan, denn immer wusste es: Da kommt noch was! Deine Verzweiflung behauptete zwar, dies Herz sei gebrochen; doch das waren nur Worte. Es lebt, es tanzt, es schlägt - heute mehr denn je!

Wenn dich deine Tochter anlächelt, blickt sie dann in das Gesicht einer Versagerin? Natürlich nicht! Sie ist glücklich, dass sie dich hat. Sie lässt dich nicht über die Klinge irgendeines kalkulierendes Anspruchsdenken springen. Ihr Blick ist noch frisch, ungebrochen, klar. Sieht sie denn weniger als jene, von denen man sagt, dass sich wissen, wie der Hase läuft? Weniger als jene, die resigniert in ihren Winkeln hocken und die Welt mit ihren immergleichen Sprüchen ausdeuten? Hast du nur ein kleines, unwissendes Wesen vor dir, wenn du sie anschaust? Oder glänzt in ihren Augen nicht etwas ganz anderes, eine tiefere Weisheit? Du nennst sie deine kleine Lehrmeistern. Sie hat dir mit einem Lächeln tief ins Herz gesehen, tiefer noch als selbst das verletzendste Wort jemals dringen könnte. In jenes Herz, das nie zu schlagen aufgehört hat ... Spürst du es?

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